Mein geliebter Audi. Heute ist er von mir gegangen.
Er hat mir stets treue Dienste geleistet, hat mich gefahren, Tag für Tag, wohin ich wollte.
Hat mich bei einem heftigen Autounfall davor bewahrt, schwer verletzt zu sein.
Na gut, eine Einblutung ins Rückenmark ist jetzt auch nichts "Leichtes", aber besser als Brüche oder gar mit dem Leben zu bezahlen!
Mein Audi hat schon viele Leute mitgenommen, viele Geschichten gehört, Lästereien, Spaß, Krach.
Auch wenn er manchmal etwas zickig war, besonders was die Öldruckkontrollleuchte anging, hatte ich ihn als mein erstes eigenes Auto besonders lieb.
Jaja, Drama baby! Aber ich muss sagen, ich bin schon wirklich traurig, dass mein erstes eigenes Auto nun reif für die Schrottpresse ist. Es hängen doch viele Erinnerungen an diesem Blechteil. Ich habe quasi das Fahren gelernt (ich war eine sehr schlechte Fahrschülerin), Sicherheit im Straßenverkehr erlangt, Freiheit genossen, meine ersten Dellen oder Kratzer ins Auto gefahren und gemerkt, dass das auch kein Drama ist, bin schon in der prallsten Sonne und auf den glattesten Straßen gefahren, habe über andere Autofahrer geschimpft, geweint, gelacht. Eigentlich war es absehbar, das Auto ist so alt wie ich und hat schon unzählige Kilometer drauf - unzählig im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Kilometeranzeige hat bei knapp über 100.000km aufgehört zu funktionieren.
Abgesehen vom Wehmut ist es auch verdammt ärgerlich, WIE dieses Auto seinen Geist aufgegeben hat. Eigentlich war der Plan, heute zu Primark zu fahren. Ich habe mich schon tierisch darauf gefreut, wollte noch schnell zu einer Freundin fahren, von der aus wir zusammen mit dem Auto ihrer Mama nach Essen düsen wollten. Um 8 Uhr sollte ich bei ihnen sein, ich bin extra eine halbe Stunde früher losgefahren, da ich Angst hatte, in den Berufsverkehr zu kommen - aber die Straßen waren frei. Super, dachte ich mir, bin ich auf jeden Fall pünktlich da und wir sind rechtzeitig in Essen. Und dann, mitten auf der Autobahn und zwei Ausfahrten vor dem Ziel, wurde das mir bekannte Rattern des Autos plötzlich lauter - sehr laut, dazu kam ein schleifendes, krachendes Geräusch, alle Warnleuchten, die das Auto besitzt, begannen zu blinken und zu tuten, der Motor schaltete sich ab. Ich hatte Glück, dass wenig los war und zog nach rechts auf die Standspur. Scheiße, was war das?! Es hat sich definitiv nicht gut angehört. Aber so auf der Autobahn stehen bleiben, das löste bei mir ein Panikgefühl aus (mein Autounfall passierte auch auf der Autobahn - ich stand (Rückstau einer Ampel an der Ausfahrt) und mir ist einer hinten reingefahren, seitdem bin ich was stehen auf der Autobahn angeht wohl etwas traumatisiert). Was mache ich?! Verdammt. Gucken, ob er anspringt. Ich drehe die Zündung - und? Ja! Ja, er springt an. Uff, dann wird es vielleicht doch nicht so schlimm gewesen sein? Vorsichtig gebe ich Gas um zu gucken, ob er noch zieht - zwar nicht so kräftig wie bisher, aber er fährt und ich konnte sogar bis auf 60 beschleunigen (mehr habe ich mich nicht getraut). Mein Ziel: von dieser beschissenen Autobahn runter! Irgendwann war allerdingt der Standstreifen, auf dem ich die ganze Zeit mit Warnblinkern fuhr, zuende, die nächste Ausfahrt kam. Ich überlegte: anhalten oder versuchen? Ich entschied mich für versuchen und selbstverständlich (bei meinem Glück war ja auch nichts anderes zu erwarten) bleib ich auf halber Strecke der Ausfahrt stehen. Gleiches Programm, noch schlimmere Geräusche. Das Auto sprang nun gar nicht mehr an, wenn ich die Zündung betätigte, ertönte nur ein ohrenbetäubendes und sehr ungesund klingendes Geräusch, also gab ich auf und kramte meine ADAC-Karte raus. Vorher gab ich noch schnell meinen Eltern und der Freundin bescheid, dass ich eine Panne habe und mich wohl verspäten werde (leider war die Verspätung zu groß und es wurde nichts aus Primark). Bis ich beim ADAC einen am Hörer hatte, dauerte es seine Zeit, ich war bestimmt 10 Minuten in der Warteschleife... das waren zehn sehr lange Minuten, denn diesmal stand ich schließlich mitten in der Ausfahrt und nicht am Standstreifen. Während ich hoffte, dass endlich mal jemand dranging gab es bestimmt 5 fast-Unfälle, weil die Autofahrer ihre Reaktion am frühen Morgen wohl noch im Bett gelassen hatten - aber ich wollte für den Anruf unbedingt noch im Auto bleiben, weil ich sonst gar nichts verstehen würde. Dann ging jemand ran, die Abwicklung war recht unproblematisch, ich schilderte wo ich liegen geblieben bin und die Dame versicherte mir, dass in den nächsten 30 Minuten ein Abschlepper vom ADAC bei mir sein wird. Ich solle bitte das Auto verlassen, eine Warnweste anziehen und das Warndreieck aufstellen. Wenn man so am Rande der Autobahn rumläuft, merkt man erst, wie schnell die Autos fahren - und wie schnell ein Unfall passieren kann, denn auf meinem Weg um das Dreieck aufzustellen behielt ich mein Auto im Auge und auch hier ereigneten sich viele Fast-Unfälle. Alles soweit aufgestellt ging ich zum Auto zurück und stellte mich hinter die Leitplanke. Und wartete. Und wartete. Es war ziemlich kalt, 2°C. Ich merkte, ich hätte mich wärmer anziehen sollen, aber wer denkt schon daran, dass man auf der Autobahn auf den Abschlepper warten könnte.. Die versprochenen 30 Minuten wurden voll ausgereizt, meine Zehen spürte ich schon nicht mehr und in jedem sich nähernden gelben LKW sah ich den Abschlepper - der es doch nicht war. Irgendwann habe ich es schon aufgegeben, weil ich es so ernüchternd fand, wenn wieder einmal ein gelber Post-Laster vorbeizog, die Leute mich in meiner schicken orangefarbenen Weste anglotzten und es für mich wieder warten hieß. Aber da! Da hinten! Ich sehe schon den Schriftzug ADAC. Noch nie habe ich mich über sowas dummes so gefreut. Jetzt war es etwas schwierig für den Abschlepper, an mein Auto zu kommen. Er musste vor mich, darum fuhr er erst langsam (und mit Warnblinkern etc) an mir vorbei und hielt dann an. Ein paar Autos hinter ihm dachten allerdings, er will die Ausfahrt nehmen und donnerten ihm fast hinten drauf, weil er ja abbremste. Zum Glück ist nichts passiert, er setzte zurück bis an mein Auto und endlich war ich nicht mehr alleine auf dieser hässlichen, kalten Autobahn. Der Mann war sehr nett, guckte erstmal nach meinem Ölstand, bemerkte dass das Kühlwasser komplett leer war (was es aber vor ein paar Tagen noch nicht war, hing aber mit dem Schaden zusammen), es war auch Wasser im Öl, das hat man gesehen (das Kühlwasser + Benzin übrigens). Erst dachte er, man kriegt es vielleicht wieder hin, er setzte sich ins Auto und versuchte zu starten - als das Geräusch ertönte verzog er schmerzverzerrt das Gesicht und erklärte mir, dass das nichts Gutes bedeutet - hab ich mir ja bereits gedacht. Mein Auto wurde also abgeschleppt, zu unserer Stammwerkstatt und auch die konnten leider nur noch den Tod meines Autos feststellen. Eine Reparatur wäre sehr sehr kostspielig, außerdem wüsste man dann immer noch nicht, ob es wieder laufen würde. Die einzige Lösung wäre nur noch das Verschrotten. Innerlich verdrückte ich ein paar Tränchen, holte schon mal einen Teil meines Krams aus dem Auto. Morgen hole ich den Rest, dann kommt der Abschied.
Wirklich, wirklich schade, dabei hätte ich vor ein paar Jahren wohl über so eine Geschichte gelacht und gedacht, dass nur Männer Beziehungen zu ihren Autos aufbauen könnten...